Profil & Geschichte
Profil
Als internationales Produktionszentrum für Figurentheater ist der Westflügel Leipzig stark mit der nationalen wie internationalen Figurentheaterszene vernetzt. Neben den beiden regelmäßig am Haus arbeitenden freien Leipziger Ensembles Figurentheater Wilde & Vogel und Lehmann und Wenzel sind dem Haus zahlreiche Künstler*innen aus verschiedenen Ländern eng verbunden. Sie bilden ein „internationales Ensemble“ aus Figurenspieler*innen, Tänzer*innen, bildenden Künstler*innen, Schauspieler*innen und Musiker*innen.
Der programmatische Schwerpunkt des Westflügel Leipzig liegt auf zeitgenössischem internationalem Figuren- und Objekttheater. Hier tritt der Westflügel als Koproduktionspartner und Gastspielhaus auf. Die Programmgestaltung orientiert sich an verschiedenen Gesichtspunkten, wie internationalem Austausch, Nachwuchsförderung und einer gemeinsamen Erforschung und Weiterentwicklung des Genres. Die Organisation des Hauses stützt sich auf ein hierarchiearmes Arbeiten und eine Verschränkung von organisatorischen und künstlerischen Arbeitsbereichen.
Die künstlerische Leitung erfolgt im Team.
Geschichte des Westflügels
Seit 2003 finden in dem denkmalgeschützten Gebäude mit seiner markanten Jugendstilarchitektur (Figuren-)Theateraufführungen statt, außerdem Ballnächte und Tanztheater, Konzerte, Ausstellungen, Performances und anderes. Der 2005 gegründete Lindenfels Westflügel e. V. ist Eigentümer des Gebäudes, das es zu erhalten und behutsam zu sanieren gilt. Die Fördermitglieder des Vereins unterstützen mit ihren Beiträgen sowohl den Erhalt des Gebäudes als auch die künstlerische Arbeit des Figurentheaterzentrums.
Seit 2011 wird der Westflügel durch die Stadt Leipzig institutionell gefördert. Im Jahr 2012 eröffnete im Erdgeschoss des Westflügels die (Kultur)Bar froelich & herrlich. Sie ist benannt nach Johanna Froelich, der jüngsten Tochter des Eigentümers der von 1939-1975 hier ansässigen Ofenrohrfabrik, und ihrem Mann Georg Herrlich und öffnet ihre Tore freitags sowie zu den Veranstaltungen des Westflügel Leipzig. Ein engagierter Kreis aus Ehrenamtlichen unterstützt das Team des Westflügels im Vorstellungs- und Barbetrieb. Der 2015 verliehene Theaterpreis des Bundes an den Westflügel Leipzig ist eine Auszeichnung für die Qualität seines künstlerischen Programms und zugleich seiner Funktion als „Thinktank“ für das zeitgenössische Figurentheater in Deutschland. Seit 2020 ist der Westflügel Leipzig Teil der Allianz internationaler Produktionszentren für Figurentheater, in der sich drei der größten Häuser für freischaffend produziertes Figuren- und Objekttheater in Deutschland zusammenschließen: FITZ – Das Theater animierter Formen Stuttgart, Schaubude Berlin und Westflügel Leipzig.
Historie des Gebäudes
An eine florierende Gastwirtschaft (heute ein vietnamesisches Restaurant) wurde 1876 ein Tanzsaal angebaut, die „Gesellschaftshalle zu Lindenau“ – heute „Schaubühne Lindenfels“. An den Tanzsaal grenzte seit 1892 ein „Concert-Garten“. Doch schon acht Jahre später, als sich die ehemaligen Dörfer Plagwitz und Lindenau zu boomenden Stadtteilen Leipzigs entwickelt hatten, wurde an dessen Stelle ein „Kleiner Saal“ als Erweiterung der „Gesellschaftshalle zu Lindenau“ geplant, der heutige Westflügel.
Entworfen wurde dieser Saal zusammen mit dem Umbau des bisherigen Gesellschaftshauses als erster großer Auftrag des Leipziger Architekten Emil Franz Hänsel (u.a. Kaufhaus Brühl, Zentralmessepalast, Specks Hof). Die Eröffnung fand am 23. September 1900 statt.
Nach mehreren Besitzerwechseln und einer Teilung des Komplexes im Jahre 1939 wurde der Kleine Saal an den benachbarten Fabrikanten Bernhard Frölich verkauft. Dieser nahm verschiedene Einbauten an dem prächtigen Jugendstilgebäude vor und zweckentfremdete den Ballsaal als Lagergebäude, ab 1943 auch als Produktionsstätte für Ofenrohre. Die als kriegswichtig eingestufte Fabrik überstand den 2. Weltkrieg, stellte 1975 ihre Produktion ein und stand seither leer.
Im Jahr 2003 begann eine Initiative um das Figurentheater Wilde & Vogel, damals in Kooperation mit der Schaubühne Lindenfels Leipzig, das mehr als 20 Jahre lang leerstehende Gebäude wieder einer kulturellen Nutzung zuzuführen. Durch Beseitigung aller nachträglichen Einbauten konnte das Gebäude nahezu in seinen Urzustand versetzt werden. Der Westflügel verfügt heute wieder über zwei Säle. Der untere Saal ist 4,60 Meter hoch, der obere, der ehemals als Tanzsaal diente, 8,20 Meter. Der historische Eingang wurde wieder hergestellt, über das Jugendstil-Vestibül gelangt man ins Foyer sowie in ein Jugendstil-Treppenhaus mit Gewölbedecke. Ein zweiflügeliges Eisentor, das von der ehemaligen Brauerei auf dem Gelände der heutigen „Feinkost“ in der Südvorstadt stammt, schließt das Vestibül zur Straße hin ab.
Die sogenannten Ballhaus-Nächte (Oktober 2003, Mai und Oktober 2004) und die Ballhaus-Prologe (April, Mai, September 2005) waren die ersten Veranstaltungen in dem noch nicht offiziell wiedereröffneten Veranstaltungsort. Im Jahr 2005 wurde die Immobilie durch den neu gegründeten gemeinnützigen Verein Lindenfels Westflügel e. V. erworben. 2006 und 2007 fanden von Mai bis Oktober die ersten zwei Sommerspielpläne mit internationalem Figurentheater und Tanztheater sowie Ausstellungen und Konzerten statt. Seither zog und zieht der Westflügel Leipzig viele international erfolgreiche Künstler*innen und Ensembles an. Die erste jemals fest installierte Heizanlage im heutigen Westflügel konnte mit einer Ofenweihe am 18. Oktober 2014 in Betrieb genommen werden. Die zwei Holzöfen, -rohre und die gesamte Anlage konnten durch Spenden – u.a. der Firma Firetube und weiterer Förderer – und eine erfolgreiche Crowdfunding-Aktion beschafft und installiert werden.